Montag, 16. August 2010

Road Trip - 1. Etappe: College Station - Santa Fe

Nach einem kurzen, aber sehr intensiven Sommersemester geht es nun in die zweite Runde des USA-Erkundung. Doch anstelle eines Flugzeuges oder anderer öffentlicher Verkehrsmittel, wie Bus oder Bahn, geht es diesmal mit dem eigenen Auto nach Westen, einer Region, die weniger durch Metropolen, als durch Natur und weite, unbewohnte Landstriche besticht.
Am 13. August um 9:45 Uhr sind Junaid und ich in College Station aufgebrochen. Die erste Etappe belief sich auf 820 Meilen oder 1.300 Kilometer und führte in die Hauptstadt von New Mexico, Santa Fe. Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzungen von höchstens 70 Meilen pro Stunde (ca. 110 km/h) und dem Wunsch, die Landschaft zu erleben, haben wir diese Etappe in zwei Tagen absolviert. Zwischenstopp war die texanische Stadt Lubbock, die Heimat der 30.000-Studenten Uni Texas Tech und Zentrum des größten Baumwollanbaugebiet der Welt.
Baumwollfelder so weit das Auge reicht
In West-Texas gibt es dutzende, ziemlich große Windparks
Diese Ölpumpstationen arbeiten heute noch
Auf dem Weg dahin haben wir nach ca. 4h Fahrt kurz in der Stadt Abilene gehalten und das Museum Texas Frontier! besucht. Texas Frontier ist der Name der Gegend im äußersten Nordwesten Texas, wo die Expansion nach Westen durch die europäischen Siedler aufgrund der Vegetation und der ansässigen Commanche-Indianer besonders schwierig war. Zur "Verteidigung" der Siedler wurden Dutzende Forts, die U.S. Soldaten beherbergten, errichtet. Das Museum erzählt die Geschichte der Region anhand von mehreren Beteiligten, u.a. einer Siedlerfamilie, die über die Strapazen der ersten Ernte berichtet; einem Indianerhäuptling, der nach einem Treffen mit dem U.S. Präsidenten in Washington erkennt, dass ein Kampf gegen die Weißen aussichtslos ist; einem U.S. General; und einem Geschäftsmann, der mit der Büffeljagd ein Vermögen erwirtschaftete. Wenn man dann wieder ins Auto steigt und durch die unendliche Landschaft von Westtexas fährt, kann man nur staunen, wie innerhalb kurzer Zeit daraus das heutige Texas mit weltumspannenden Firmen, wie TI, Dell, oder ExxonMobil, und einem Urbanisierungsgrad der Bevölkerung von über 80% entstanden ist.
Die texanische Unabhängigkeitserklärung ist auch hier
Originalutensilien aus dem 19. Jahrhunderts - der Wilde Westen pur
Nach der Nacht in Lubbock sind wir wieder früh 9 Uhr aufgebrochen. Zwei Stunden später haben wir nach insgesamt über 10h Fahrt und 500 Meilen (800 km) die texanische Staatsgrenze erreicht. Kurz zuvor haben wir noch spontan bei einer Viehauktion gehalten, die gerade stattfand. Von der Auktion selbst bekam man selbst nicht mit, da das nur in einem stillen Raum mit dem Verkäufer selbst stattfindet. Dafür haben wir einmal sogenannte Stock Yards in Aktion gesehen. Das Vieh wird in verschiedene Zellen verteilt und dann kann man sich alles anschauen und die entsprechenden Nummern der Tiere notieren, die man gern kaufen möchte. Kommt der Kaufvertrag zustanden, werden die Tiere wieder in ein anderes Gatter getrieben, wo sie dann verladen werden. Das Ganze war ein ziemlich hektisches Treiben.
Der Viehhandel findet jeden Samstag statt
Schafe, Ziegen und Kühe haben wir gesehen
Der Grenzübertritt nach New Mexico war das erste Mal, das ich mit meinem eigenen Wagen aus Texas herausgefahren bin. Gleich danach hat sich auch die Vegetation stark verändert. Das Grün wurde weniger und die wenigen Bäume, die es noch gab, wurden auch immer kleiner. Am Ende hatten wir nur noch eine relativ trockene Grassteppenlandschaft um uns herum.
Irgendwo kurz vor Santa Fe
Inmitten dieser Landschaft haben wir auch hier wieder einen intellektuell wertvollen Zwischenstopp eingelegt, um ein wenig über die Region, die wir durchreisen, zu erfahren. Diesmal: das Bosque Redondo Memorial. Das Bosque Redondo ist ein ca. 100 qkm grosses Areal rund um den Ort Fort Sumner, in dem zwischen 1861-1863 500 Mescalero Apachen und 10.000 Navajos von ihren angestammten Gebieten in Arizona und West New Mexico vertrieben und hier in Ost New Mexico angesiedelt wurden. Diese Übersiedelung war dabei so brutal, dass beinahe 1.500 von ihnen auf dem Weg (ca. 800 km Entfernung!) dahin starben. Leider war das Bosque Redondo völlig untauglich zum Ackerbau und auch der durchlaufende Pecos-Fluss war so schmutzig, dass es kaum möglich war, dort ernsthaft sesshaft zu werden. Ihnen blieb jedoch keine Alternative, da sie von Soldaten der U.S. Armee, die im Fort Sumner stationiert waren, dort festgehalten wurden. Als sich die Lage drastisch verschlimmerte, haben die Apachen, von Natur aus ein Nomadenstamm, den Mut zur Flucht ergriffen. Sie sind allesamt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgebrochen und haben sich in verschiedene Richtungen zerstreut, damit die Armee sie nicht alle wieder aufgreifen kann. Diese Strategie war größtenteils erfolgreich. Als die Amerikaner erkannten, dass die Reservat-Strategie nicht aufging, haben sie 1868, sieben Jahre nach der Übersiedelung der ersten Apachen, einen Vertrag mit den verbliebenen Navajos, ein sesshafter, Ackerbau betreibender Stamm, ausgehandelt, indem sie ihnen ein Reservat auf ihrem ehemaligen Territorium zuwiesen, welches heute Gebiete in Arizona, New Mexico und Utah umfasst. Ihr ursprüngliches Gebiet wurde damit zwar um ein vielfaches verkleinert, aber sie hatten die Chance, wieder in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Heute gibt es im Bosque Redondo keine Navajos oder andere Indianer mehr. Für ca. 30 Jahre gab es fast keinen Menschen in dieser Region, bis ein paar westliche Farmer einen Weg gefunden haben, dieses Gebiet doch noch zu bewirtschaften.
Das Bosque Redondo Memorial - wo über 10.000 Indianer von 1861-1868 lebten
Die Überreste des Forts, mit dessen Hilfe die Indianer im Reservat gehalten wurden
Die Dame vom Empfang hat uns freien Eintritt gewährt, da wir kein Bargeld mit hatten
Nach dieser interessanten Geschichtserfahrung ging es wieder auf die Straße ins 2.000 m hoch gelegene Santa Fe, der ältesten Bundesstaatshauptstadt der USA. Santa Fe ist wirklich sehr schön und man kann wirklich behaupten, diese Stadt hat Flair. Alle Häuser sind in einem mexikanischen Tavern-Architekturstil gebaut. Die gesamte Altstadt, einschließlich Shopping-Center und Parkgarage müssen sich dieser Vorgabe beugen. Auch gibt es hier eine riesige Kunstszene mit Gallerien an jeder Ecke und über fünf weltweit bekannten Kunstmuseen. Sie wurde dafür sogar von der UNESCO zur Creative City erhoben. Auch die Landschaft mit den umliegenden Ausläufen der Rocky Mountains machen diese Gegend zu einem schönen Ort.
Franz von Assissi Kathedrale in Santa Fe
Sogar das Parkhaus muss sich dem Architekturstil unterwerfen
Altstadt von Santa Fe
Viele dieser Museen sind etwas außerhalb auf dem sogenannten Museum Hill angesiedelt, was uns anfangs ein wenig verwirrte. Da wir keinen blassen Schimmer hatten, wo das Zentrum der Stadt war, haben wir in unserem Navigationsgerät einfach ein Museum als besonderen Ort ausgewählt, in dem Glauben, dort auch noch andere Sehenswürdigkeiten zu finden. Das war allerdings nicht der Fall und letztendlich fanden wir uns auf einer Veranstaltung des Kinderbuchautors Joe Hays wider, der gerade einer gespannten Familienmenge Kindergeschichten erzählt hat. War schon witzig, aber nach der ersten Geschichte sind wir wieder gegangen. Im zweiten Anlauf haben wir die Altstadt gefunden.
Kinder-Geschichtenerzähler an einem Freitag Abend in Santa Fe

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