Samstag, 23. Oktober 2010

Wahlkampf in Texas

Alle zwei Jahre gibt es Wahlen in den USA, unter anderem in diesem Jahr! Am 2. November werden die Sitze des Repräsentantenhaus, 1/3 des Senats und unzählige regionale Positionen neu besetzt. Die Wahl gilt als richtungsweisend für die Wiederwahl des derzeitigen US-Präsidenten Barack Obama´s 2012 und hat entscheidenden Einfluss auf seine Handlungsfähigkeit in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit. Derzeit halten die Demokraten 59 der 100 Sitze im Senat und 255 der 435 Sitze im Repräsentantenhaus (218 notwendig für Mehrheit), eine gute Basis also, um politische Entscheidungen in Gesetzesform zu bringen. Aktuelle Umfragen (z. B. New York Times) sagen jedoch voraus, dass die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren werden und im Senat - wo 37 der 100 Senatoren zur Wahl stehen - wird es ein knappes Rennen. Die Situation ist hier ein wenig günstiger für die Demokraten, da von den 63 verbleibenden Senatoren 40 Demokraten, aber nur 23 Republikaner sind. Wer mehr über die aktuelle Kongresswahl erfahren möchte, dem kann ich die sehr gut aufbereitete Seite der New York Times empfehlen.
Derzeitiger Umfragestand der Wahlen für das Repräsentantenhaus: rot - Republikanisch, blau - Demokratisch, gelb - unentschlossen (Quelle: New York Times)
Die wirtschaftliche Situation und die Politik Obamas bezüglich Gesundheitsreform, Haushaltsdefizit etc. sind die dominierenden Themen. Es ist zwar eine sichere Logik, das die ersten Kongresswahlen nach der US-Präsidentenwahl meist negativ für den amtierenden Kandidaten ausfallen, diesmal ist die Situation jedoch um einiges verschärfter. Sollten die Demokraten die Mehrheit in beiden Kammern verlieren, kann das den politischen Stillstand bedeuten.
Texas hat 32 Sitze im Repräsentantenhaus (2. nach Kalifornien), davon 12 Demokraten und 20 Republikaner. Die beiden texanischen Senatoren stehen in diesem Jahr Jahr nicht zu Wahl.
Dafür gibt es eine regionale Wahl, nämlich die des Gouverneurs! Der derzeitige Amtsinhaber heißt Rick Perry und ist ein Absolvent der Texas A&M University. Er folgte im Jahr 2000 George W. Bush, der damals US-Präsident wurde, und ist durch seine Bestätigungen in den Jahren 2002 und 2006 seit 10 Jahren im Amt. Er tritt dieses Jahr wieder an und hat einen guten Vorsprung von ca. 10 Prozent auf seinen demokratischen Herausforderer Bill White, der bis Januar diesen Jahres sechs Jahre lang Bürgermeister von Houston war.
In Berührung mit dieser Wahl bin ich gestern eher zufällig gekommen. Auf dem Dach der Corner Bar wollte ich eigentlich mit ein paar Kommilitonen nach einer anstrengenden Woche das Wochenende einleiten, als sich herausstellte, dass der demokratische Gouverneurskandidat Bill White hier eine Wahlkampfveranstaltung abhalten wird. Wir sind geblieben, obwohl die Mehrheit meiner Kommilitonen eher republikanisch eingestellt ist. Im Gegensatz zu mir haben sie jedoch auf die Annahme  zahlreicher Merchandising-Utensilien verzichtet. Ich als neutraler Austauschstudent habe es mir aber nicht nehmen lassen, eine Foto mit dem Kandidaten zu bekommen. Die Veranstaltung war relativ kurz. Bill White kam gegen 18 Uhr in der Corner Bar an und hat sich dann eine Viertel Stunde lang Zeit genommen, Hände zu schütteln und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.
 Bill White, der demokratische Kandidat für das Amt des Gouverneurs von Texas
Bevor Bill White das Mikrofon ergriff, spielte noch eine Country-Band. In seiner Rede kam meines Erachtens nicht viel Inhalt rüber. Er fokussierte sich sehr auf seinen Kontrahenten. Die Stimmung in Texas ist aber eher nicht auf einen Wechsel eingestellt. Die Arbeitslosigkeit ist geringer als der Durchschnitt (8,1%, US: 9,6% im September) und im vergangenem Jahr entstanden zusätzlich 129.000 neue Jobs - mehr als in jedem anderen Staat. Texas ist ein Schwergewicht in den USA. Nach Kalifornien hat es das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt und wäre Texas ein eigenes Land, würde es die 11.-größte Industrienation sein. Der Staat ist außerdem Hauptsitz der meisten S&P 500 Unternehmen in den USA. Allerdings gibt es auch Probleme, z.B. ein Haushaltsdefizit von 18 Milliarden Dollar, das erst in diesem Jahr so richtig offenbar wurde und ein entscheidendes Thema im Wahlkampf ist. In diesem Zusammenhang prangerte Bill White die Kürzungen in den Budgets der öffentlichen Universitäten in Texas an, was in einer Stadt wie College Station natürlich super sitzt.
Auch wenn es so scheint, dass Bill White wenig Chancen hat, ist die Annahme eines Sieges von Rick Perry nicht 100%-ig gegeben. Denn, dass Texas ein durch und durch republikanischer Staat ist, stimmt so nicht. Seit 1845 gab es 47 Gouverneure in Texas, von denen nur neun keine Demokraten waren. Von 1874 bis 1979 gab es sogar über 100 Jahre durchgehend demokratische Gouverneure. Danach von 1979 bis 1995 gab es alle vier Jahre einen Wechsel von Demokraten und Republikanern. Lediglich in den letzten 15 Jahren ist Texas ohne Unterbrechung in republikanischer Hand. Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Bill White ist daher nicht ausgeschlossen. Der Abstand variiert je nach Meinungsumfrage zwischen 5 und 11%[1].
Nach insgesamt 45 Minuten war die "Show" vorbei und wir konnten dann endlich in Ruhe unser Bier trinken ;-)
Ein paar "Souvenirs" aus dem texanischen Gouverneurs-Wahlkampf 2010

Sonntag, 3. Oktober 2010

Studienalltag im Herbstsemester 2010

Seit Ende August ist das Semester nun schon voll im Gange und ich bin durch eine Reihe an Aktivitäten durchaus ausgelastet. Mit diesem Beitrag möchte ich euch einen Einblick in meine Aktivitäten in diesem Semester geben, als Veranschaulichung, wie ein "normales" Campusleben in den USA aussehen kann.
Überblick
Neben dem Abschluss meines MBA-Studiums am Ende dieses Semesters, absolviere ich bereits Kurse für meinen zweiten Abschluss, dem Master of Science in Management Information Systems (kurz: MS MIS). Außerdem arbeite ich seit September noch als Graduate Assistant für einen Professor und bin involviert als President der Fulbright Students´ Association, sowie als Vice President International bei der Mays MBA Association. Ich habe also gut zu tun!
MBA Kurse
Da ich im ersten Jahr bereits den Großteil meiner MBA-Creditpoints abgeleistet habe, stehen in diesem Semester nur noch zwei Kurse auf dem Plan: International Business und das Business Consulting Projekt. International Business ist ein Kurs, der auf dem Strategiekurs des vergangenen Jahres aufbaut und ihn durch die internationale Perspektive ergänzt. Mir gefällt er außerordentlich gut, da Internationalität quasi mein Leben ist und es mir als einziger EU-Bürger in der Klasse Freude macht, meinen Kommilitonen auch von der anderen Seite des Atlantiks zu erzählen.
Das Business Consulting Projekt ist ein besonderer Bestandteil des Programms, der dazu dient, die während des gesamten MBA´s erlernten Konzepte, Vorgehensweisen und Methoden in einem realen Fall anzuwenden. Ich bin im Global Operations Management der Firma Dell eingesetzt und reise dazu durchschnittlich alle zwei Wochen, meist freitags, in das beschauliche Städtchen Round Rock, Texas, wo Dell´s Unternehmenszentrale ist. Dell hat eine große Bedeutung für diese Region. 1984 von Michael Dell gegründet ist Dell derzeit der drittgrößte Computerhersteller der Welt und beschäftigt 16.000 Menschen in Round Rock, einer Stadt mit 100.000 Einwohnern. Nach mehreren Erfahrungen auf der Softwareseite der IT-Industrie macht es mir großen Spaß, mal einen Hardwarehersteller kennenzulernen. Es ist auch eine klasse Gelegenheit, mach einem Jahr Abstinenz mal wieder ein Unternehmen von innen zu sehen.
MS MIS Kurse
Für den zweiten Master belege ich derzeit die beiden Kurse Business Process Management (BPM) und Enterprise Resource Planning (ERP). Wie in den USA üblich gibt es auch hier ständig Hausarbeiten, Gruppenprojekte und monatliche Examen. Neben der Theorie beinhalten beide Kurse Elemente, die eine praktische Anwendung finden.
Im ERP-Kurs managen wir am Ende des Semesters in einer SAP-Simulation (ERPSim von der HEC Montreal) ein komplettes Beispielunternehmen von der Marktanalyse, Vertriebsplanung, Beschaffung über die Produktionsplanung und Warenhausmanagement bis hin zum Verkaufsprozess, der Finanzbuchhaltung und dem Controlling. Das wird sicher spannend. Ich habe bereits in meiner Vergangenheit eine Reihe an Unternehmensplanspielen mitgemacht. In diesen wurden die Entscheidungen jedoch in einer relativ einfach gehaltenen Software eingeben. Dieses Planspiel jedoch, verlangt das gesamte Management via SAP.
Das MS MIS Computerkabinett
Im BPM-Kurs besteht unser Abschlussprojekt aus der Analyse und Verbesserung eines Prozesses bei einem realen Beispielunternehmen aus der Region. Ich bin auf jeden Fall begeistert von diesen praktischen Anwendungen, aber gleichzeitig bedeutet es auch eine Menge Arbeit.
Job: Graduate Assistant - Teaching
Seit September helfe ich einem unserer renommierteren Fakultätsmitgliedern Dr. Rogelio Oliva, Professor für Operations Management, auf 10h/Woche-Basis bei der Durchführung seiner EMBA und MBA-Kurse. Dr. Oliva ist ursprünglich aus Mexiko, hat seinen Doktortitel am MIT gemacht und dann eine zeitlang an der Harvard Business School gelehrt, bevor er an die Texas A&M University wechselte. Die Aufgaben sind meist administrativer Natur. Ich bin aber auch dafür zuständig, Studenten bei inhaltlichen Fragestellungen in seinen Kursen weiterzuhelfen. Die Möglichkeit hat sich passend ergeben und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung.
Engagement bei Studentenorganisationen
Nach meiner Wahl zum Präsidenten der Fulbright Students´ Association (FSA) im April und der begleitenden Unterstützung unserer neu ankommenden Fulbrighter im Sommer haben wir die ersten Events des Semesters veranstaltet. Zum einen haben wir uns auf der Campus-weiten Messe neben 800 (!) anderen Studentenorganisationen präsentiert und zum anderen ein Kennenlerngrillen für unsere Mitglieder veranstaltet. Für die "Erstsemester"-Fulbrighter war dies eine klasse Gelegenheit, mit anderen Fulbrightern in Kontakt zu kommen.
Unser Tisch der Fulbright Students´ Association bei der Studentenorganisationsmesse
Wir sind eines der buntesten Organisationen auf dem Campus. Unsere 60 Mitglieder kommen aus über 30 Ländern, sind Doktoranden, Master- und Bachelorstudenten und es ist im Prinzip jede Fachrichtung vertreten. Am 24. September 2010 wurde uns dann noch eine besondere Ehre zuteil. Als Delegierter von nur 25 ausgewählten Studentenorganisationen war ich eingeladen, bei der Prozession der 2010 Academic Convocation, einer Art Generalversammlung der Universität, mitzumarschieren und dann der Versammlung beizuwohnen. Grund war die Einführung unseres neuen Universitätspräsidenten Dr. Loftin in sein Amt. Ich fand es dabei amüsant, wie alle Delegierten in ihren schwarzen Roben marschiert sind - außer ich, da ich noch keinen Abschluss in den USA erworben habe. Ich kam mir vor wie bei Harry Potter!
Die Prozession zur 2010 Academic Convocation auf dem Military Walk der Texas A&M University
Bei der MBA Association kümmere ich mich um die Belange der internationalen Studenten und helfe mit bei der Vorbereitung der Tailgates bei den Footballspielen. Dies nimmt etwas weniger Zeit in Anspruch und ist eine gute Gelegenheit, mit den Kommilitonen, die nun über mehrere Wahlkurse verstreut sind, in Kontakt zu bleiben.
Zusammenfassung
Das Semester ist damit gut ausgelastet und spannend wird es, wenn die Zeit der finalen Examen beginnt. Nichtsdestotrotz, mir geht es prima und es ist auch noch genug Zeit da, mal abends wegzugehen oder mich um einen Praktikumsplatz für nächsten Sommer zu kümmern (dazu mehr, wenn das geklärt ist)!