Samstag, 27. März 2010

Soziales Engagement für ein Rentnerehepaar

Vor einiger Zeit hatte ich bereits mal berichtet, das Texas A&M University eines der engagiertesten Studenten in den gesamten USA hat. Dies war nicht als allgemein erhellende Floskel gedacht, sondern das Ergebnis fundierter journalistischer Recherchearbeit! Heute hatte ich die Möglichkeit, diese Tatsache weit ab von den Statistiken persönlich zu erleben. Denn an diesem Tag hat die Universität eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass diese Behauptung wirklich stimmen könnte.
Jedes Jahr mobilisiert die Veranstaltung "Big Event" ca. 12.000 Studenten für einen halbtätigen Einsatz im kommunalen Bereich College Station/Bryan. Und so haben 15 MBA-Kommilitonen und ich uns aufgemacht, bedürftigen Menschen bei einem wichtigen Vorhaben unter die Arme zu greifen. Meine Erwartungshaltung war groß. Wo werden wir eingesetzt werden? Vielleicht in einem Kinderheim, welches ohne Spenden kaum über die Runden kommt oder etwas eine Schule, die aufgrund von finanziellen Engpässen einen neuen Anstrich in den Klassenräumen nicht bezahlen kann? Völlig falsch!
Unser Einsatzplatz war das Grundstück eines Rentnerehepaars, welches einen neuen Anstrich für ihren Zaun brauchte. Mich hat das anfangs nicht groß verwundert, da man ja nie weiß, in welcher Situation sie sich gerade befinden. Als sie jedoch offenherzig davon berichteten, dass sie jedes Jahr Studenten für das alljährliche Zaunstreichen engagieren, um Handwerkskosten zu sparen, war ich schon ein wenig verwirrt.
Zaunstreichen mit meinen MBA-Kommilitonen
Mittagessen mit Hot-Dogs, frischen Erdbeeren und Schokokuchen...mhh
Meine Kommilitonen zeigen vollen Einsatz für einen guten Zweck
Nach einigen Gedankengängen kam dann aber die Erkenntnis. Das ist doch ein super Zeichen, dass es dieser Region wirklich gut gehen muss. Wenn es so viele freiwillige Helfer gibt, die Zeit haben, an einem Samstag Vormittag, normalen Einwohnern beim Zaunstreichen zu helfen, muss doch die Problemlage in diesem Teil der USA sehr gering sein. Beim Überschlagen wird einem das auch sofort klar: wenn 12.000 Studenten circa 150.000 Einwohnern des Brazos County´s helfen, profitiert quasi jeder 10. Einwohner davon.
Das Endergebnis: hält bis zum nächsten Mal
Wie auch immer: ob man dieses hohe Niveau des sozialen Engagements auf lange Dauer halten kann, ist eine berechtigte Frage. Nichtsdestotrotz, hatte ich einen netten Vormittag an der frischen Luft und wurde gut verköstigt. Und das Rentnerehepaar hat ein paar Dollars für das Zaunstreichen gespart! Bis zum nächsten Jahr!

Sportlich in College Station

Selbst eine Stadt in der Größe von College Station kann mit Aktivitäten aufwarten, welche mich veranlassen, Sonntag Morgen um 5.30 Uhr früh aus dem Bett zu steigen und sportlichen Aktivitäten nachzugehen, die ich im Zeitalter von maschinengesteuerten Antrieben für fast überflüssig hielt: Langstreckenlauf. In der Schule ein Graus; in Amerika habe ich mich nun von dem Phänomen anstecken lassen. Mit 21.0975 km bin ich am 7. März 2010 eine Distanz gelaufen, die ich bislang nur mit künstlichen Gefährten bewältigt habe. Anlass war der alljährlich stattfindende Halbmarathon "Armadillo Dash" in College Station.
Die Veranstaltung hätte ein recht entspannter Vormittag werden können, wenn ich vorher einen gut durchdachten Trainingsplan absolviert hätte. Dies war aber nicht der Fall und so bin ich quasi ohne nennenswerte Vorbereitung in das Rennen gestartet. Mit einer Laufzeit von 2:08:30 h bin ich mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Ich weiß jedoch, dass da noch mehr drin ist. Vor allem im letzten Teil des Laufs waren meine Beine nicht mehr die verlässlichsten Partner. Alles in allem aber eine tolle Erfahrung!
Die letzten Meter waren müßig...
...doch am Ende war ich froh, es geschafft zu haben.

Ein Festival im texanischen Frühling

Das Leben neben der Universität kommt zwar immer kürzer, jedoch gibt es von Zeit zu Zeit Anlässe, die Argumente für diese These ein wenig abzuschwächen. Ein Beispiel ist Spring Break. Nach dem erlebnisreichen Fulbright-Seminar in Chicago hatte ich eine Woche Frühlingsferien oder Spring Break, wie man hier so schön sagt. Vom Wunsch, zu diesem Anlass nach South Padre Island, dem Spring Break-Zentrum in Texas, zu reisen, habe ich nach einem Blick auf die Hotelpreise wieder Abstand genommen. Das hätte ich mit mindestens einem halben Jahr Vorlauf buchen müssen.
Anlass zur Trauer war dies nicht, denn so hatte ich Zeit für ein Highlight, welches zeitgleich in meiner texanischen Lieblingsstadt Austin stattfand: dem SXSW-Festival.
SXSW steht dabei für "South by Southwest" und ist eines der größten Festivals der USA mit über 1,000 Bands, die in über 90 Spielstätten quer über die Stadt verteilt auftreten. Der Fokus liegt dabei auf Alternative und Rockmusik. Es war einfach grandios. Die Stadt war ziemlich voll und jeden Abend spielten an jeder Ecke Livebands aus allen Teilen der Welt. So sahen wir einem einzigen Abend Bands aus Kroatien, Russland, Japan, Frankreich und aus den USA. Tagsüber geben diverse Kleinkünstler Spontantkonzerte auf den Straßen. Für den individuellen Musikentdecker genau das Richtige. Hier ein paar Eindrücke:
Auf dem Weg zum SXSW Festival
Eine Band geht mitten in das Publikum und spielt dort noch 2,3 Songs weiter ;)
Austin im Ausnahmezustand - so wie es sich am besten gefällt!
Verschiedene Band treten auf über 90 Bühnen auf
Straßenperformances an jeder Ecke
Die 6th Street bei Nacht: in jedem Club treten Livebands auf
Konzerte von außen angeschaut
Rock aus aller Welt - hier aus Japan
Direkter Kontakt zu den Künstlern ist überall möglich ;-)

Montag, 15. März 2010

Ein Bereicherungsseminar

Als Teil der Austauscherfahrung mit Fulbright veranstaltet das International Institute of Education (IIE)  sog. Enrichment-Seminare, die jedes Jahr in mehreren Städten der USA stattfinden. Diese Seminare sind eine großartige Gelegenheit, in einem imposanten Umfeld den Austauschgedanken zu erleben und gleichzeitig viel neue, interessante Leute kennenzulernen.
Das Losglück hat mich nach Chicago gebracht und so bin ich kurz vor Beginn der Spring Break von College Station aufgebrochen, um ein verlängertes Wochenende mit 150 Fulbrightern aus über 60 Ländern zu verbringen - meine Vorfreude war sehr groß.
Das Programm war gespickt mit einer Menge unterschiedlichster Aktivitäten, darunter ein Besuch in einer Grundschule, ein Abendessen bei einer amerikanischen Familie, die Erarbeitung einer Social Entrepreneuership-Idee, Paneldiskussionen, und eine Schiffskreuzfahrt auf dem Lake Michigan. Abwechslungsreicher geht es beinahe nicht. Als Highlight fand das Ganze dann auch nicht in einer abgelegenen Jugendherberge statt, sondern in einem der besten Plätze der Stadt, dem Palmer House Hilton Hotel mitten in Downtown Chicago.
Der Ort: das Palmer House Hilton Hoten in Downtown Chicago
Das Eröffnungsdinner
Der Begriff Enrichment bedeutet "Bereicherung" und gibt dabei genau die Kernerfahrung dieser Veranstaltung wider. Zwei Komponenten spielten dabei die entscheidende Rolle: der Austausch mit unzähligen Leute während der Konferenzpausen und die vielen organisierten Aktivitäten. Mein persönliches Highlight war das Dinner bei einer Familie. Das Abendessen hat uns zu einer Mitarbeiterin des Justizministeriums geführt. Sie wohnt in einem Vorort von Chicago und hat uns ganz herzlich verköstigt. Nach anfänglichem Small-Talk entwickelte sich dabei ein immer tieferes Gespräch über unzählige Themen. Der Austausch über Politik war dabei der interessanteste Teil, vor allem deshalb, weil wir uns im Gegensatz zu Texas in einer Umgebung befanden, welche fest in Obama-Hand war. Die Wahl Obamas zum Präsidenten hat sichtbar Eindruck in der schwarzen Bevölkerung gelassen und auch eine Verschiebung der Wahrnehmung über Diskriminierung. Die Erfahrung der schwarzen Bevölkerung geht immer mehr dazu über, dass anstelle der Rasse monetäre Kriterien für das Weiterkommen in der Gesellschaft entscheiden. Das ist zwar nicht ganz unabhängig zu betrachten, jedoch ist die Auffassung groß, dass bei gleicher sozialer Stellung die Rasse nicht mehr entscheidend ist.
Ein wundervoller Abend bei einer Gastfamilie in Chicago
Neben dem Familiendinner waren auch in einer öffentlichen Schule in Chicago. Dabei wurden wir in Gruppen aufgeteilt und haben uns jeweils ca. eine Schulstunde in eine Klasse gesetzt. Ich war in einer ersten Klasse, wo ich eine kleine Gruppe von Kindern beim Erkunden eines "Lerngameboys" betreut habe. Nach fast 6 Jahren war so ein Schulbesuch mal wieder eine interessante Erfahrung.
Unterricht an der Schule LaSalle in Chicago
Nach dem Unterricht an der LaSalle-Schule
Zum Abschluss des Seminars gab es am Samstag Abend noch eine Bootsfahrt auf dem Lake Michigan, wo ich zusammen mit einem weiteren deutschen Musikstudenten mit Liedern von den Ärzten und Silbermond versucht habe, die deutsche Pop/Rock-Liedkultur den Fulbrightern ein wenig näher zu bringen. Danach ging es noch auf eine Hausparty mit ca. 40-50 anderen Studenten, die von ein paar lokalen Fulbrightern in Chicago organisiert wurde. Dazu kann ich nur sagen: Hut ab, dass sie so viele Studenten aufgenommen haben, denn die Wohnung war ganz schön voll.
Auf der Lake Michigan Bootstour: mein erster Auftritt auf einem Schiff
Alles in allem waren diese Tage eines der schönsten in meinem Leben. Die intensive Erfahrung im Dialog mit Studenten aus Ländern, wie zum Beispiel Jemen, Mauritius, Irak, Afghanistan, Pakistan, aber auch mit unseren europäischen Nachbarn oder Afrika, ist ein begeisterndes und "bereicherndes" Umfeld. Dass ich diese Erfahrung machen durfte, darüber bin ich wirklich dankbar.
Auf der Lake Michigan Bootstour
Aller Abschied fällt schwer
Abschlussgruppenfoto
Per U-Bahn ging es zurück zum Flughafen
Bevor ich dann wieder gen warmen Texas aufgebrochen bin, habe ich es dieses Mal geschafft, im Arts Institute of Chicago vorbeizuschauen. Mein Wunsch, nochmal auf den Willi´s Tower (ehem. Sears Tower) zu klettern, blieb aber leider in den Wolken hängen.
Der Willi´s Tower im tiefen Nebel
Im Arts Institute of Chicago

Samstag, 6. März 2010

Saw 'em off! Der Sieg über die Longhorns!

Die Spiele gegen unsere nächstegelegene Universität in Austin sind immer ein Höhepunkt, egal in welchem Sport. Diesmal ging es um Basketball. Das Hinspiel haben wir mit 72-67 nach Verlängerung knapp verloren. Nun stand das Rückspiel an, zu Hause in College Station.
Da das Stadion nur ca. 13.000 Sitzplätzen hat, ist die Konkurrenz unter den knapp 50.000 Studenten groß. Da heißt es: früh aufstehen! Um 8 Uhr früh traf ich mich mit Julie und Matt vor dem Stadion. Zu dem Zeitpunkt herrschte schon reges Treiben, denn viele haben die Nacht im Zelt verbracht. Mit der Startnummer 54 waren wir jedoch gar nicht schlecht aufgestellt, noch einen guten Sitzplatz zu bekommen. Nach 4h Wartezeit ging es dann endlich rein und wir hatten noch außerordentlich Glück: ein Kommilitone, der die Nacht draußen verbracht hat, hat für uns drei Sitzplätze in der sechsten Reihe freigehalten.
Das Spiel an sich war das Beste, das ich bis dato gesehen habe. Die Stimmung war riesig und Texas A&M war die hoch überlegene Mannschaft, was sich auch im Endergebnis 74-58 widerspiegelt. Das Frühaufstehen hat sich daher mehr als gelohnt, um die Unterhaltungsshow Basketball an seinem Saison-Höhepunkt zu erleben. Hier ein paar Impressionen:
Startnummer 54 in der Schlange vor dem Basketballspiel gegen die Longhorns mit Julie und Matt
Noch ein bißchen verschlafen: Samstag, 8 Uhr morgens
Fehlt bei keinem Spiel: das Singen der amerikanischen Nationalhymne
Das Stadion glich einem Hexenkessel
Das Ergebnis: ein überragender Sieg

Rodeo in Texas

Wer denkt beim Nennen des U.S.-Bundesstaates Texas nicht an die typischen Klischees, wie Cowboys, Rinderherden und Steaks? Beim ersten Blick erfährt der Besucher jedoch ein völlig anderes Bild. Statt Pferde gibt es riesige Pick-up-Trucks und die Rinderherden sind als Haupteinnahmequelle schon lange der florierenden Ölindustrie gewichen. Die Ausnahme sind die Steaks, welche wahrscheinlich schon immer so gut waren.
Nun muss man jedoch nicht enttäuscht sein, denn zum Glück gibt es ja Events, die die "alten" Zeiten wieder aufleben lassen: Rodeo! Für eine bestimmte Zeit im Jahr sind die Texaner wieder ganz in ihrem ursprünglichen Element, denn dann werfen sie mit Schlagworten, wie Bull Ridin', Mutton Bust'n, Saddle Bronc Ridin' oder Chuck Wagon Racin', um sich. All dies sind Disziplinen im alljährlich stattfindenden Wettbewerb Rodeo.
Nur aus Plastik: ein Longhorn-Bulle
Barrel Racing: die einzige Disziplin für Frauen
Das Chuck Wagon Racin': kann man nur hoffen, dass die Texaner früher nicht wirklich so durch den Wilden Westen gebrettert sind
Der witzigste Wettbewerb war dabei das Mutton Bust'n. In dieser Disziplin werden 5-6jährige Kinder auf ein Schaf gesetzt und müssen dann so lange wie möglich drauf bleiben. Dabei hatten jedoch die Zuschauer und Eltern wesentlich mehr Spaß als die Kinder selbst. Selbst der Gewinner - sein Name war Justin - hatte nicht viel mehr übrig, als sichtlich gefasst und den Tränen nahe die Frage nach einer Fortsetzung seiner Rodeo-Cowboy-Karriere kopfschüttelnd zu verneinen. Bull Ridin' (das Bullenreiten) und Saddle Bronc Ridin' (auf dem Pferd) sind die Disziplinen, die ich vorher auch mit Rodeo in Verbindung gebracht habe.
Justin: der Gewinner des Mutton Bust'n
Dass das romantische Texasflair dann doch nicht voll ausgereizt wird, fällt einem gleich bei der Hinfahrt auf. Anstelle einer abgelegenen Ranch geht es ins Reliant Stadion in Houston mit 72.000 Sitzplätzen. Dabei ist zu bemerken, dass ein signifikanter Teil der Besucher auch nicht zum eigentlichen Wettbewerb anreist, sondern erst später zum obligatorischen Konzert eintrudelt. Das Konzert ist das Highlight des Abends und wird daher auch standesgemäß mit einem Innenraumfeuerwerk im Stadion eingeleitet. Die Professionalität in Sachen Unterhaltungsindustrie ist unübersehbar. Innerhalb von 10 Minuten wird auf dem schlammigen Rodeostadionboden eine drehbar gelagerte und mit einer spektakulären Diodenwand versehene "Pop"-Country-Bühne aufgebaut. Dierks Bentley hieß der Performant auf der Bühne, der mir vor allem in seinen ruhigen Liedern gefallen hat.
In 10 Minuten aufgebaut: die Country-Musikbühne
Die Unterhaltungsnation No. 1: ein Innenraumfeuerwerk leitet das Konzert ein
Dierks Bentley bei Houston Rodeo
Das Ende habe ich nicht mehr mitbekommen, denn wir hatten noch eine 2h-Fahrt nach College Station vor uns. Insgesamt war es ein toller Abend. Das Beste war, dass wir in Begleitung zweier Texaner, Melanie und Graham, waren, die uns alle Einzelheiten ausführlich erklären konnten. Rodeo ist auf jeden Fall ein Besuch wert. Nehmt aber unbedingt ein paar Texaner mit! Dann macht es doppelt so viel Spaß!
Graham (r.) und Melanie (2. v.l.) haben uns zum Rodeo mitgenommen
Sichtlich amüsiert: mein Bruder und ich