Montag, 21. September 2009

Besuch aus Berlin!

Kaum zu glauben, aber wahr: ich hatte Besuch aus der Heimat! Nach dem Absolvieren der Midterm-Prüfungen am Freitag kamen Sarah und Nicole aus der wundervollen Bundeshauptstadt Berlin hier in College Station an. Die beiden machten zwei Tage Halt auf ihrer Tour durch Texas, um einmal das "wahre" amerikanische Collegeleben kennenzulernen. Wo kann man das nicht besser erleben, als hier in College Station?
Sarah und Nicole auf einem Uni-Parkplatz, der an jedem Spielwochenende als Wohnwagenstellplatz dient
Nach ihrer Ankunft tourten wir am Freitag Abend mit ein paar Komilitonen durch Northgate, dem Kneipenviertel der Stadt, bevor wir dann zur Yell Practice gingen, um die Fanrufe für das Footballspiel am darauffolgenden Tag zu üben. Zusammen mit ca. 20.000 anderen Studenten stimmten die Yell Leader uns um 24 Uhr mit ihren Powerreden auf das morgendliche Spiel ein. Auch hier war es wieder von Vorteil, einen alteingesessenen Aggie mit dabei zu haben. Blake, der mich auch schon in Silver Tap einführt hat, hat diese Aufgabe mit großer Hingabe übernommen.
Am nächsten Tag sind wir dann gemütlich über den Campus spaziert, haben uns die Mays Business School angeschaut und sind im Anschluss daran zum MBA Tailgate (Grillen) vor dem Footballspiel gegangen. Der Wunsch, sich die Medizinische Fakultät anzuschauen, ging für die beiden frischen Physikumabsolventin aber leider nicht in Erfüllung. Vom Tailgate aus liefen wir dann zum Stadion, meinem zweiten Footballspiel. Nun ja, das Spiel war diesmal nicht ganz so eindeutig wie letztes Mal, die Aggies haben dennoch gewonnen 38-30. Dann war wieder Northgate angesagt. Nach 4h Stehen ließen wir den Abend auf der Dachterasse einer Bar ausklingen. So muss das sein!
Sonntag haben wir uns dann spontan entschieden, nach Houston in das Space Center der NASA zu fahren. Das war eine gute Entscheidung, denn es war sehr interessant. Neben den originalen Missions-Kontrollräumen und den Trainingshallen für den Weltraum gibt es hier eine vollständig ausgestellte 110m lange Saturn-V-Rakete. Ein älterer amerikanischer Herr, der schon als Kind Astronaut werden wollte, dieser Traum aber nie in Erfüllung ging, hat uns eine Menge Wissenswertes über die amerikanischen Weltraumaktivitäten erzählt. Alles in allem war es ein sehr interessanter Besuch.
Nach der Tour sind wir wieder zurück nach College Station gefahren, wo sich Sarah und Nicole verabschiedet haben. Damit ging ein tolles und einzigartiges Wochenende zu Ende. Allein der Gedanke, dass jemand aus der Heimat hier in der "middle-of-nowhere" vorbeigekommen ist, ist überwältigend.
"Houston, wir haben ein Problem": im Space Center Houston

Eine Auswahl weiterer Bilder findet ihr hier:

Freitag, 11. September 2009

Mitarbeit in der Klasse und ein Radiointerview

Es ist schon interessant, welche weitreichende Verbreitung dieser Blog bereits gefunden hat. Letzten Donnerstag hat mich Radio Energy München über meinen Texasaufenthalt interviewt - um 5:30 Uhr morgens. Nun ja, was macht man nicht alles, um ein paar Münchener zu einem Roadtrip nach Austin auf das Konzert von Kings of Leon zu bewegen?
Zurück nach College Station. Trotz der in den vergangenen Artikeln erwähnten Anstrengungen macht mir das Studium immer größeren Spaß. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Gruppe und komme auch immer besser zurecht, v.a. im Bereich Mitarbeit, wo es eigentlich nur darum geht, sich so oft wie möglich zu Wort zu melden, um eine gute Mitarbeitsnote zu bekommen.
Dieser Bereich birgt für mich zwei Seiten der Medaille. Auf der einen Seite geht oftmals der rote Faden verloren. Durch die ständigen Wortmeldungen diskutieren wir jeden einzelnen Aspekt der Fallstudien bis in jedes - auch unwichtige - Detail. Oft halten wir uns dabei ziemlich lange bei einem Thema auf, nur, weil jeder denkt, dass er auch etwas hinzufügen muss. Bei einem Richtwert von durchschnittlich zwei Wortbeiträgen pro 1,5h-Vorlesung bleibt in einer Klasse von 34 Leuten nicht mehr viel Redezeit für den Professor übrig.
Auf der anderen Seite stellt dies ein völlig anderes Lernkonzept dar. Anstatt, dass man ein Thema erstmal frontal in einer Vorlesung vermittelt bekommt, muss man vorher durch die Bearbeitung eines Falles und dem Studium der entsprechenden Literatur so gut über das Thema Bescheid wissen, dass man sich adäquat in die Diskussion einbringen kann. Die Vorlesungen sind dann eine sehr tief-gehende, niveauvolle Unterhaltung mit den Professoren, die durch eine gezielte Moderation die einzelnen Aspekte des Stoffes systematisch durchgehen. Vorteil ist, dass man dadurch den eigenen Lernerfolg sofort überprüfen kann. Nachteil ist, dass man eine Menge Zeit damit verbringt, herauszufinden, wie man den Fall angehen muss - ohne konkreten Plan, wie man das wirklich macht.
In den meisten Fällen habe ich damit kein Problem. Sollte ich irgendwann doch noch eine Wortmeldung brauchen, habe ich einen Backup-Plan, der mir sozusagen in die Wiege gelegt worden ist: ich bringe regelmäßig meinen Standpunkt aus europäisch-deutscher Sicht ein. Die Professoren legen sehr viel Wert auf Austausch der eigenen Erfahrungen, Hintergründe und Prägungen. Das kommt vor allem bei Themen, wie Accountingstandards, Marketingstrategien und Organisationsmanagement gut an. Ihr seht also, ich gewöhne mich so langsam an die neuen Methoden.
Nächste Woche stehen die Mitt-Semester-Prüfungen an. Danach kann ich erstmal aufatmen und in aller Ruhe das nächste Footballwochenende genießen. Das muss auch mal sein. Bis dahin!

Samstag, 5. September 2009

Texas A&M und die Aggiekultur

Wie funktioniert eine Universität, die auf dem gesamten Campus mit hohem Einsatz eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit und Identifizierung unter den Studenten schafft und dieses Maß an akademischer Integrität bis ins hohe Alter aufrecht erhält? Einen Einblick darin, wie das aussieht, habe ich in der vergangenen Woche bekommen. Der Schlüssel dazu ist die so genannte "Aggiekultur"; manche bezeichnen ihn auch als "Aggie-Kult" (Zitat einer Studentin, die außerhalb von Texas kommt). Die Mittel sind eine Fülle an einfallsreichen Traditionen, eingebettet in sehr emotionalen Anlässen und veredelt mit einer ordentlichen Portion Spaß und Unterhaltung.
Neben dem in vorangegangenen Kapiteln erwähnten Honor Code, den Uniwerten (Intergrität, Repsekt, ...) und den Howdy!-Grüßen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Aggie-Traditionen, von denen ich euch zwei vorstellen werde, da sie mich in ihrer Art jeweils sehr bewegt haben: Silver Tap und Football!
Silver Tap ist eine Veranstaltung, bei der die gesamte Universität allen verstorbenen Studenten der letzten drei Monate gedenkt. Dazu findet einmal monatlich um 22:30 Uhr abends eine Gedenkveranstaltung statt. Anwesenheit ist nicht Pflicht, jedoch hat man den Eindruck, dass beinahe alle 40,000 Studenten da sind, denn es ist sehr voll. Das Erstaunliche ist, dass man keinen einzigen Laut hört. Es wird nicht gesprochen.
Die Studenten versammeln sich um das Unihauptgebäude und um 22:15 Uhr wird das Licht ausgeschalten. Es ist also stockfinster. In sehr gemächlichem Tempo marschiert nun eine Einheit Kadetten ein und gibt 21 Salutschüsse (drei á sieben Gewehre) ab. Ich habe mich total erschrocken - wie die anderen auch -, da durch die Stille auch keine Befehle als Vorwarnung gegeben wurden. Es war ein wenig mystisch, aber faszinierend zugleich. Nach ca. 20 min war alles vorbei und wir sind alle wieder nach Hause gefahren. In den letzten drei Monaten sind übrigens acht Studenten gestorben; die meisten aufgrund von Autounfällen durch Alkohol am Steuer.
Eine weitere Komponente der Aggiekultur ist College Football. Letzten Samstag ging die Saison los und es ist einfach der Wahnsinn. Das Stadion mit den über 80.000 Sitzplätzen ist doch tatsächlich randgefüllt. Schon am Freitag Abend hat man am dichten Verkehr gespürt, dass eine Menge auswärtiger Gäste angereist sind, v. a. Ehemalige, Familienangehörige usw.
Vor dem Spiel werden über dem gesamten Campus verteilt unzählige Grillplätze aufgebaut. Das sogenannte Tailgating gehört zu dem Spielerlebnis mit dazu. Wir sind ca. 3h vorher dahingegangen. Die MBA Association hat vor Ort einen eigenen Platz aufgebaut.
Zwei Hamburger und ein paar Softdrinks später ging es dann ins Stadion. Dort haben mir dann meine amerikanischen Komilitonen einen Crash-Kurs in den Footballregeln gegeben und mir während des Spiels die einzelnen Spielzüge erläutert. Die waren wirklich sehr geduldig. Ich weiß zwar immer noch nicht, warum das ausgerechnet Football, also Fußball, heißt, wo 80% der Aktivitäten mit der Hand ausgeführt werden, jedoch habe ich einen guten Überblick über den Ablauf und Sinn des Spiels erhalten.
Das war jedoch nicht die einzige Herausforderung. Neben dem Regeln-Erlernen kamen noch die unzähligen Fangesänge dazu. Die ersten Fangesänge sind beinahe so alt wie die Universität selbst und man muss die Choreographien ein wenig üben. Es macht jedoch einen Riesenspaß, zusammen mit 80.000 anderen Studenten mitzumachen. Nicht zu vergessen ist die Blaskapelle, die bei jedem größeren Ereignis, z. B. Touch downs, spielt und während der Halbzeitpause eine atemberaubende Show abliefert.
Es gab also eine Menge zu erleben und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass dies zurecht ein Höhepunkt im amerikanischen Unileben darstellt. Die Aggies haben übrigens 41 zu 6 gewonnen. Nach Berichten meiner erfahrenen amerikanischen Komilitonen ist dies für Texas A&M ein freudiges, aber leider sehr seltenes Ergebnis. Wir werden sehen!

Bilder: Zur Diashow
College Football im Kyle-Field Stadion