Samstag, 5. September 2009

Texas A&M und die Aggiekultur

Wie funktioniert eine Universität, die auf dem gesamten Campus mit hohem Einsatz eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit und Identifizierung unter den Studenten schafft und dieses Maß an akademischer Integrität bis ins hohe Alter aufrecht erhält? Einen Einblick darin, wie das aussieht, habe ich in der vergangenen Woche bekommen. Der Schlüssel dazu ist die so genannte "Aggiekultur"; manche bezeichnen ihn auch als "Aggie-Kult" (Zitat einer Studentin, die außerhalb von Texas kommt). Die Mittel sind eine Fülle an einfallsreichen Traditionen, eingebettet in sehr emotionalen Anlässen und veredelt mit einer ordentlichen Portion Spaß und Unterhaltung.
Neben dem in vorangegangenen Kapiteln erwähnten Honor Code, den Uniwerten (Intergrität, Repsekt, ...) und den Howdy!-Grüßen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Aggie-Traditionen, von denen ich euch zwei vorstellen werde, da sie mich in ihrer Art jeweils sehr bewegt haben: Silver Tap und Football!
Silver Tap ist eine Veranstaltung, bei der die gesamte Universität allen verstorbenen Studenten der letzten drei Monate gedenkt. Dazu findet einmal monatlich um 22:30 Uhr abends eine Gedenkveranstaltung statt. Anwesenheit ist nicht Pflicht, jedoch hat man den Eindruck, dass beinahe alle 40,000 Studenten da sind, denn es ist sehr voll. Das Erstaunliche ist, dass man keinen einzigen Laut hört. Es wird nicht gesprochen.
Die Studenten versammeln sich um das Unihauptgebäude und um 22:15 Uhr wird das Licht ausgeschalten. Es ist also stockfinster. In sehr gemächlichem Tempo marschiert nun eine Einheit Kadetten ein und gibt 21 Salutschüsse (drei á sieben Gewehre) ab. Ich habe mich total erschrocken - wie die anderen auch -, da durch die Stille auch keine Befehle als Vorwarnung gegeben wurden. Es war ein wenig mystisch, aber faszinierend zugleich. Nach ca. 20 min war alles vorbei und wir sind alle wieder nach Hause gefahren. In den letzten drei Monaten sind übrigens acht Studenten gestorben; die meisten aufgrund von Autounfällen durch Alkohol am Steuer.
Eine weitere Komponente der Aggiekultur ist College Football. Letzten Samstag ging die Saison los und es ist einfach der Wahnsinn. Das Stadion mit den über 80.000 Sitzplätzen ist doch tatsächlich randgefüllt. Schon am Freitag Abend hat man am dichten Verkehr gespürt, dass eine Menge auswärtiger Gäste angereist sind, v. a. Ehemalige, Familienangehörige usw.
Vor dem Spiel werden über dem gesamten Campus verteilt unzählige Grillplätze aufgebaut. Das sogenannte Tailgating gehört zu dem Spielerlebnis mit dazu. Wir sind ca. 3h vorher dahingegangen. Die MBA Association hat vor Ort einen eigenen Platz aufgebaut.
Zwei Hamburger und ein paar Softdrinks später ging es dann ins Stadion. Dort haben mir dann meine amerikanischen Komilitonen einen Crash-Kurs in den Footballregeln gegeben und mir während des Spiels die einzelnen Spielzüge erläutert. Die waren wirklich sehr geduldig. Ich weiß zwar immer noch nicht, warum das ausgerechnet Football, also Fußball, heißt, wo 80% der Aktivitäten mit der Hand ausgeführt werden, jedoch habe ich einen guten Überblick über den Ablauf und Sinn des Spiels erhalten.
Das war jedoch nicht die einzige Herausforderung. Neben dem Regeln-Erlernen kamen noch die unzähligen Fangesänge dazu. Die ersten Fangesänge sind beinahe so alt wie die Universität selbst und man muss die Choreographien ein wenig üben. Es macht jedoch einen Riesenspaß, zusammen mit 80.000 anderen Studenten mitzumachen. Nicht zu vergessen ist die Blaskapelle, die bei jedem größeren Ereignis, z. B. Touch downs, spielt und während der Halbzeitpause eine atemberaubende Show abliefert.
Es gab also eine Menge zu erleben und ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass dies zurecht ein Höhepunkt im amerikanischen Unileben darstellt. Die Aggies haben übrigens 41 zu 6 gewonnen. Nach Berichten meiner erfahrenen amerikanischen Komilitonen ist dies für Texas A&M ein freudiges, aber leider sehr seltenes Ergebnis. Wir werden sehen!

Bilder: Zur Diashow
College Football im Kyle-Field Stadion

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