Dienstag, 6. November 2012

Finanzierung eines Vollstudiums in den USA

In diesem Artikel möchte ich ein Thema besprechen, das einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg eines US-Studienaufenthaltes hat, aber nach meiner Erfahrung nicht immer korrekt behandelt wird: Die Finanzierung. Als Zielgruppe spreche ich all diejenigen an, die ein aktives Interesse an einem Studium in den USA haben und bereit sind, dafür einigen Aufwand zu investieren. Man muss nicht unbedingt reiche Verwandte haben, um sich diesen Traum zu erfüllen. Unabdingbar ist aber eine gehörige Portion Einsatzwille und ein paar Grundtechniken im Bereich Selbstvermarktung.
Die Finanzierung eines Studiums in den USA ist auf den ersten Blick eine große Herausforderung, die in vielen Fällen aber lösbar ist. Extrembeispiele, wie Studiengebühren von über 50.000 Dollar pro Semester bei Harvard University plus Lebenshaltungskosten, die für Miete, Bücher und Essen reichen müssen, klingen auf den ersten Blick ziemlich abschreckend. Jedoch ist dies nur eine Seite der Realität. Denn: Viele Studenten bezahlen diesen Betrag gar nicht!
Es gibt eine Menge Möglichkeiten, sein eigenes Budget zu begrenzen oder durch das Ausnutzen unterschiedlichster Einnahmequellen massiv zu erweitern. Stellschrauben dabei sind die Wahl der richtigen Universität, Stipendien, Studentenjobs, steuerliche Vergünstigungen, staatliche abgesicherte Studentenkredite und vieles mehr.

Auswahl der Uni
Die teuersten Unis sind meist privat, womit sich größtenteils die erhöhten Studiengebühren erklären lassen. Allerdings haben diese auch die reichhaltigsten Angebot an Stipendien oder sozialen Vergünstigungen, da sich dort viele wohlhabende Privatpersonen oder Unternehmen engagieren. Die staatlichen Unis liegen meist bis zu 50% unter den Kosten von privaten Unis, sind aber in der Qualität der Lehre nicht unbedingt schlechter, da die fehlenden privaten Einnahmen durch staatliche Zuschüsse gedeckt werden. Beispiele für renommierte Staatliche Unis sind die University of California in Berkeley, die University of Michigan in Ann Harbor oder die University of Texas in Austin.
Mit der Uni-Wahl geht auch die Entscheidung nach dem Standort einher. Auch hier existieren es Gestaltungsspielräume auf der Kostenseite. Auf der einen Seite gibt es die großen Metropolen, wie New York, Boston oder San Francisco, die natürlich sehr aufregend sind, wo allerdings allein die Miete bei über $1.000 liegen kann. Wer eine günstigere Variante sucht, sollte sich Unis in so-genannten College Towns anschauen. Dies sind meist mittelgroße Städte (100.000 - 300.000 Einwohner), die allein für die Universität gebaut wurden. Dies hat mehrere Vorteile: Das Leben ist dort recht günstig, da es nicht in einem Ballungsraum liegt. Weiterhin ist das gesamte Leben auf die Bedürfnisse von Studenten ausgerichtet, das heißt alle Shops, Restaurants und andere Freizeitangebote haben maßgeschneiderte Angebote zu erschwinglichen Preisen. Nachteil ist meist die etwas abgelegenere Lage. Beispiele für solche College Towns sind Ann Arbor mit der University of Michigan (1 Stunde von Detroit), La Fayette mit der Purdue University (1 h von Indianapolis), Blacksburg (Virginia Tech, 3 h von Charlotte), Indiana University in Bloomington (1 Stunde von Indianapolis) oder die Texas A&M University in College Station (1,5 h von Houston).

Stipendien
Was hierzulande meist nur einer kleinen Minderheit vergönnt ist, gehört in den USA für nahezu ein Drittel der Studenten zum Standardprogramm. Stipendien gibt es quasi für jede erdenkliche (Minderheits-)Gruppe und Leistungskategorie: Frauen, Hispanics, Schwarze, Amerikanische Ureinwohner, aber auch allgemein Internationale Studenten verbunden mit guten Leistungen in der Schule/Uni und sozialem Engagement. Ein weiteres Beispiel sind Sportstipendien, die vergeben werden, wenn man für die Universität an Sportwettkämpfen teilnimmt. Allein 2011 wurden weit über 500,000 solcher Stipendien im gesamten Land vergeben (Quelle: ScholarshipStats.com). Es lohnt sich also einschlägige Stipendienwebseiten zu durchstöbern und zu schauen, ob es Stipendien für den eigenen Hintergrund gibt. Darüber hinaus gibt es unzählige private Stiftungen und Unternehmen, die spezielle Förderprogramme je nach Fachrichtung und Universität anbieten.
Für den Interessierten aus Deutschland sind vor allem zwei Hauptquellen aufzusuchen: (1) Die spezifischen Angebote der anvisierten Gastuniversität, und (2) Programme, die sich speziell dem transatlantischen Studentenaustausch verschrieben haben.
Zu ersterem lohnt es sich, zeitnah Kontakt mit der Universität aufzunehmen und sich für potentielle Stipendien zu bewerben. In den meisten Fällen geht dies mit automatisch mit der regulären Bewerbung (Admission) einher, das heißt je nach Qualität des Kandidaten unterbreiten die Universitäten unterschiedliche Angebote, bei denen die Studiengebühren um einen gewissen Betrag reduziert werden. Je besser man überzeugt, desto höher kann dieser Rabatt ausfallen.
Ein weitere Möglichkeit der für Stipendien bestehen bei einschlägigen Stiftungen, wie zum Beispiel dem DAAD, der Deutschen Studienstiftung oder Fulbright. Aus eigener Erfahrung kann ich das Fulbright-Programm hervorheben, welches ein komplettes Paket inklusive Studiengebühren, Lebenshaltungskosten, Krankenversicherung und Reisekosten zur Verfügung stellt.
Zu guter letzt können auch individuelle Partnerschaften zwischen einer deutschen und amerikanischen Universität interessant sein. In den meisten Fällen ist darin ein gegenseitiger Verzicht auf die Studiengebühren vereinbart. Allerdings erlauben nicht alle Angebote den Erwerb eines akademischen Grades in den USA, sondern umfassen nur einzelne Semesteraufenthalte.

Studentenjobs
Wenn die Einnahmequelle Stipendien erschöpft ist, gibt es weitere Gelegenheiten, neben dem Studium Geld zu verdienen. Allerdings muss man hier die rechtlichen Grenzen kennen, denn die beiden Studentenvisa J-1 und F-1 erlauben das Arbeiten nur direkt an der Universität. Das heißt, normale Aushilfsjobs außerhalb der Universität, beispielsweise im Restaurant, sind nicht erlaubt. Dafür bieten die meisten Universitäten eine weite Bandbreite an Jobs an. Neben gewöhnlich-universitären Jobs, wie eine Assistenzstelle bei einem Professor, Bibliotheksaufsicht oder IT-Support, gibt es weitere Tätigkeitsfelder, wie zum Beispiel als Betreuer im Sportzentrum, Kameramann beim Campus-eigenen TV-Kanal oder Busfahrer beim universitätseigenen Fuhrpark.
Gewöhnlich bieten die Universitäten dabei recht attraktive Vergütungspakete an. Darin enthalten sind nicht nur der reine Lohn, sondern auch Beiträge für die Krankenversicherung und eine gewisse Anzahl von Kursen pro Semester beitragsfrei. An meiner Universität, der Texas A&M University, gab es für einen Job mit 20h pro Woche $800 Gehalt, die Krankenversicherung und 9 Credit Hours beitragsfrei, was drei Kursen entspricht. Damit kann man auf jeden Fall ganz gut durchs Studium kommen. Allerdings werden solche Jobs immer recht kurzfristig vergeben oder man sollte jemanden kennen, was heißt, dass diese Option eher für später geeignet ist, z. B. ab dem zweiten Jahr.

Kredite und Steuerliche Vergünstigungen
Auch Kredite können helfen, dem Ziel eines Vollstudiums in den USA näher zu kommen. Allerdings muss man hier auf die Details achten, denn zwischen den Angeboten aus Deutschland und den USA gibt es große Unterschiede. Generell gibt es in den USA eine große Bandbreite an Angeboten mit günstigen Zinsen und relevanten Höhen. Die meisten Banken verlangen jedoch einen amerikanischen Bürgen, so dass diese Option nur sehr schwer umsetzbar ist.
In Deutschland ist die Angebotspalette recht schmal. Kredite für ein komplettes Studium im Ausland ohne gleichzeitige Einschreibung an einer deutschen Hochschule gibt es weder bei den großen Privatbanken noch vom Staat. Einzige Ausnahme ist der Bildungskredit der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), den es mit recht fairen Konditionen gibt: der Zinssatz richtet sich nach dem EZB-Leitzins, es gibt eine Karenzzeit und die Mindestrate zur Rückzahlung danach beträgt nur 120 EUR pro Monat. Des weiteren ist eine Sondertilgung jederzeit ohne Zusatzkosten möglich. Der Haken allerdings ist, dass dieser Kredit ein oberstes Limit von 7.200 EUR hat, womit man keine großen Sprünge machen kann.
Des weiteren gibt es die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Studienkosten. Laut einem Urteil des Bundesfinanzhof (BFH) vom 17. August 2011 gilt dies für jegliche studienrelevanten Aufwendungen bis zu vier Jahre rückwirkend (keine Rechtsberatung!). Dieser Punkt mag zwar keine aktuelle Liquidität erzeugen, sollte aber bei der Überlegung für oder gegen ein solches Vorhaben mit berücksichtigt werden.

Zusammenfassung
Zusammenfassend gilt: Eine einzige Finanzierungsquelle wird nicht ausreichen, aber eine Kombination aus mehreren kann den Traum eines Komplettstudiums in den USA verwirklichen. Wer mit dem Gedanken spielt, sollte mit einer Vorlaufzeit von 1,5 Jahren rangehen, da viele Bewerbungen von Stipendien ein Jahr vorher eingereicht werden müssen. Wer es geschafft hat, kann sich einreihen zu den anderen ca. 9.500 Deutschen, die jährlich in den USA studieren (Quelle: Open Doors Report 2011, International Institute of Education).

Montag, 18. Juli 2011

Roadtrip II - 2. Etappe: Miami nach Key West

Miami hat keinen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Bereits beim Reinfahren in die Stadt sieht man nur  heruntergekommene Viertel rechts und links neben dem I-95. Auf dem Weg zum Hotel bin ich "aus Versehen" durch einige Straßenzüge gefahren, in denen ich mich nicht mehr 100%-ig sicher gefühlt habe. Dieses subjektive Gefühl ist durchaus mit Zahlen belegt. Dem Census Bureau nach gehört Miami zu eines der ärmsten Städte, gemessen an der Prozenzahl der Einwohner, die unterhalb der Armutsgrenze leben. 26,9 % der Einwohner müssen mit weniger als umgerechnet 700 EUR pro Monat leben.
Einzig das Zentrum stellt einen deutlichen Kontrast dar. Allerdings sind die Gebäude auch kein architektonischer Augenschmaus. Wie in fast allen amerikanischen Großstädten reihen sich einfallslos, quadratisch angeordnete Bürotürme, die am Wochenende wie ausgestorben sind.
 Business District Downtown Miami
 Little Havanna in Miami
 Integration in die amerikanische Gesellschaft auf kubanisch
Kokosnuss-Milch-Trinken in Little Havanna
Das, was man sonst mit Miami verbindet, gehört gar nicht zur Stadt, sondern ist eine unabhängige Ortschaft auf den vorgelagerten Inseln: Miami Beach mit dem gleichnamigen, berühmten Strand. Der Strand ist durchaus sehenswert und es macht Spaß, in den dahinterliegenden Straßenzügen zu bummeln. Allerdings ist hier wieder zu erwähnen, dass während unseres Aufenthalts alles vollkommen überlaufen war. Parkplätze haben wir beinah vergebens gesucht und als wir einen gefunden haben, hat der $30 gekostet.
 Etwas überlaufen: Miami Beach
 Amerikas Kreufahrthafen No. 1
Gesehen und gesehen werden: Mit Blick aufs Meer :)
Ein schönes Viertel haben wir dann aber doch noch gefunden: Little Havanna! Ein beschaulicher Straßenzug, der komplett von kubanischen Einwanderern bewohnt ist und alle Klischees der nahliegenden Insel erfüllt. Von Büsten kubanischer Prominenter über spanische Straßennahmen ("Calle Ocho") bis hin zu zahlreiche Zigarrenshops, deren Produkte alle offiziell "Imported from Indonesia" sind.
Nach einer Runde Kokosnuss-Milch-Trinken, einigem Souvenirshoppen und einem netten Abend mit einem Bekannten, der in Miami Beach wohnt, hielt es uns jedoch nicht mehr länger in der Stadt und wir fuhren hinaus in Richung Süden - nach Key West.
Die 250 Kilometer dahin gehören wahrscheinlich zu den imposantesten Fahrstrecken, die ich bislang gesehen habe. Knapp 180 Kilometer der Gesamtstrecke geht es abwechselnd über Inseln, Brücken, Fahrbahn auf Pylonen bis nach Key West, das nur noch ca. 140 Kilometer Luftlinie zu Havanna liegt und gleichzeitig den südlichsten Punkt der Landfläche der USA darstellt. Es macht wirklich großen Spaß, diese Strecke entlangzufahren und spontan anzuhalten, wo es einem gefällt, zum Beispiel um einmal ins Wasser zu springen. Aufgrund der Hitze und der geringen Wassertiefe war diese zwar meist keine große Erfrischung, aber gut getan hat es dennoch.
 Die neue Straße wurde einfach neben die alte Straßenführung gebaut
 Beliebig anhalten an einer der zahlreichen Parkplätze entlang der Strecke
 Die Möglichkeit, ins Wasser zu springen, variiert je nach Pegelstand
 Chillen im Wasser
 Schmale, langgezogene Inseln über 180 Kilometer lang
Nur noch reichlich 140 Kilometer bis nach Kuba
Da Key West in Richtung Westen liegt, ist es hier auch möglich, einen Sonnenuntergang am Meer zu erleben, der wirklich atemberaubend war. Die Entscheidung, eine Übernachtung in Key West einzulegen, war daher goldrichtig. Doch auch aus logistischen Gründen wäre es sehr hektisch geworden, wenn wir am selben Tag die 180 Kilometer hin und zurückfahren müssten.

Impressionen vom Sonnenuntergang in Key West


Mittwoch, 13. Juli 2011

Roadtrip II - 1. Etappe: Texas - Miami

Der nächste Roadtrip steht an, diesmal Richtung Osten. In der vergangenen Woche habe ich die letzten beiden Kurse für meinen zweiten Master erfolgreich abgeschlossen und bin damit nun komplett fertig mit meinem Studium. Die Kurse - Chinesisch I und Financial Statement Analysis - waren beide noch mal sehr interessant, so dass ich mit großem Wehmut zum letzten Mal in eine Vorlesung ging und am Dienstag, 5. Juli 2011 (direkt nach Independence Day) die Prüfungen ablegte.
In den Tagen und Wochen zuvor hatte ich bereits einen Großteil meiner Möbel verkauft und bin übergangsweise bei einem Kommilitonen eingezogen, der gerade ein Zimmer frei hatte. Direkt nach den Prüfungen habe ich dann alle Sachen gepackt und sie nach Houston zu einem weiteren Kommilitonen gefahren, wo ich netterweise in den letzten sechs Wochen unterkommen kann. Allerdings wird er mich in dieser Zeit nicht allzu oft sehen, denn zum Abschluss meiner zwei Jahre in den USA habe ich noch zwei Reisen geplant: einen Roadtrip von Texas nach Florida und eine Reise in den Nordwesten der USA (Portland, Seattle und Vancouver, Kanada).
So brach ich also bereits am Donnerstag, den 7. Juli, wieder auf in Richtung Miami, um dort  zwei Tage später eine Freundin aus Deutschland vom Flughafen abzuholen. Zusammen wollen wir den Sunshine State erkunden.
Die Fahrt nach Miami dauerte drei Tage. Am Donnerstag startete ich am frühen Vormittag von Houston aus und fuhr die ersten 680 Kilometer bis nach Biloxi, Mississippi. Biloxi war bis vor kurzem eine beliebte Touristenstadt mit langen Sandstränden und mehreren Casinos am Golf von Mexiko. Allerdings bleiben die Touristen seit knapp einem Jahr aus. Am Strand und auf den Parkplätzen sind nur einzelne Leute zu sehen. Die Stadt ist beinahe ausgestorben. Den Grund habe ich ziemlich schnell bemerkt. Biloxi ist stark von der Ölkatastrophe nach der Explosion der Deepwater Horizon betroffen. Der Strand ist zwar wieder vollkommen sauber mit weißem Sand. Wenn man aber drei Meter ins Wasser geht, merkt man sofort einen öligen Schleim an den Füßen und einen leichten Ölfilm auf dem Wasser. Beides hat mich zum sofortigen Verlassen des Wassers bewegt.
 Von Ölkatastrophe scheinbar keine Spur
 Pipelines aus dem Golf von Mexiko treffen auf den Strand
 Leuchtturm an der Strandpromenade von Biloxi
Sand aus dem Wasser und direkt vom Strand
Ohne erfrischendes Morgenbad ging es also am Freitag wieder los. Nach 750 Kilometern erreichte ich Jacksonville, Florida, am Atlantischen Ozean, wo ich es mir nicht nehmen ließ, direkt nach meiner Ankunft ins Wasser zu springen und damit eine komplette Amerikadurchfahrt zu besiegeln. Zusammen mit dem Roadtrip im vergangenem Jahr bin ich nun einmal quer durch die USA von Küste zu Küste mit dem Auto gefahren, wobei ich die 4.000 Kilometer fast komplett auf dem Interstate 10 zurückgelegt habe.
Strand von Jacksonville (abends 20:30 Uhr)
Am Samstag standen dann die verbleibenden 550 Kilometer auf dem Plan, die ich komplett auf dem I-95 immer der Küste entlang absolvierte. Gegen 14 Uhr erreichte ich das vorab gebuchte Hotel, so dass ich gerade rechtzeitig um 16:30 Uhr am Flughafen stand, um Andrea in Empfang zu nehmen.

Sonntag, 3. Juli 2011

Prisoner-of-War (POW) Camp: Hearne, Texas

Ich hatte es mir schon seit langem vorgenommen, aber erst an meinem letzten Wochenende in College Station bin ich dazu gekommen, einen Ort aufzusuchen, der Zeuge eines unscheinbaren Kapitels Deutsch-Amerikanischer Beziehung im 2. Weltkrieg geworden ist: das Kriegsgefangenenlager Hearne, Texas, ca. 1/2 Autostunde von College Station.
 Eingangsbereich des Kriegsgefangenenlagers Hearne, TX
Ein Nachbau einer typischen Barracke, in der bis zu 200 Soldaten untergebracht wurden
Fast vier Jahre lang von Mai 1943 bis Anfang 1947 waren hier 4.800 Deutsche Soldaten interniert mit eine überproportional hohen Anzahl an Offizieren. Insgesamt gab es in den USA über 550 solcher Lager mit knapp 400.000 deutschen Kriegsgefangenen. Die meisten Internierten kamen aus Rommel´s Afrikakorps, das im Mai 1943 vor den Allierten kapitulierte. Die Lager entstanden größtenteils im Süden der USA, speziell in abgelegenen Gegenden, wo die Fluchtgefahr gering ist. Texas hatte fast die Hälfte (ca. 200) aller Camps.
Die Soldaten wurden streng nach den Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen behandelt (Eigendarstellung der Ausstellung). Das bedeutete die gleiche Versorgung wie amerikanische Soldaten, keine "Propaganda", keine Arbeitsverpflichtung, Unterbringung in ähnlicher Klimazone wie Gefangennahme und keine Hinrichtungen oder sonstigen Bestrafungen für kriegerische Handlungen.
Die Wachmannschaft überließ sogar die interne Verwaltung des Lagers auf Basis der Genfer Konvention der vorhandenen Befehlsstruktur in der Wehrmacht, was heißt, dass Offiziere noch immer Anweisungen an unterstellte Soldaten geben konnten. Aufgrund der fehlenden Beschäftigung durch Arbeit fingen viele Soldaten an, neuen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen, zum Beispiel Kreieren von Kunst, v.a. Malerei und Betonfiguren, aber auch Theaterstücke wurden aus der Erinnerung heraus aufgeschrieben und aufgeführt. Die beliebteste Sportart war Fußball. Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, diverse Kurse zu belegen. Vom einfachen Englisch-Lernen bis hin zu Medizinkursen, die an der Baylor University sogar als Credits gewertet wurden, war alles dabei. Auch Professoren der Texas A&M University kamen regelmäßig nach Hearne und unterrichteten in verschiedenen Fächern. Zugegebenermaßen, den Soldaten ging es den Umständen entsprechend relativ gut. Die einzige Belastung war psychischer Natur, vor allem die Entfernung nach Deutschland und die Ungewissheit, wie lange man inhaftiert war. Allerdings bestanden (zensierte) Postverbindungen in die Heimat. Am Anfang hatten die Soldaten sogar noch die Pflicht (!), nach Hause zu schreiben.
Nachbau eines Lagerbettes für die deutschen Kriegsgefangenen
 Kunstwerke von deutsche Soldaten
Diese Gemälde entstanden größtenteils aus den Erinnerungen der Soldaten an die Heimat
 Die Bilderrahmen wurden später angefertigt
Die Soldaten haben eine Barracke vollständig umgebaut in ein Theater mit Orchestergraben, einer schrägen Ebene und Bühne
Lernkurse jeglicher Art im Lager
Nach Ende des Krieges weichte die USA die Behandlung nach Genfer Richtlinien Schritt für Schritt auf. Nahrung wurde rationiert und der Arbeitseinsatz eingeführt, um die zuvor rationierte Menge wieder zu verdienen. Die Rückkehr nach Deutschland erfolgte erst mehr als ein Jahr nach Kriegsende und dann mit Umwegen mit Aufbaueinsätzen in England, Frankreich, Belgien oder Holland. Darüber hinaus gab es einen so genannten "Demokratieunterricht" für verlesene Soldaten, die einen "offenen" Eindruck machten. All diese Dinge verstießen gegen die Genfer Konvention.
"Propaganda"-Zeitung speziell geschrieben für die deutschen Kriegsgefangenen in den USA, u.a. verfasst von Thomas Mann (der bereits vor dem 2. WK in die USA emigriert ist)
Abschlussausgabe der Zeitung, kurz bevor die Soldaten Anfang 1947 nach Hause gebracht wurden
Arbeitseinsatz auf den Baumwollfeldern in der Region Hearne, TX
Heute ist das Lager eine Gedenkstätte direkt am Highway 6. Eine Museumsmitarbeiterin hat sich für mich persönlich 1,5 Stunden Zeit genommen und jedes Detail genau erklärt. Vor allem der Willen, zu lernen und die Affinität zur Kunst hat sie persönlich sehr beeindruckend. Auf der andere Seite gab es auch eine Menge Druck von den Wehrmacht-Vorgesetzten auf die Soldaten, keine "Feindgesinnung" anzunehmen. In einem Fall kam es sogar zu einer Ermordung eines deutschen Soldaten durch seine Kameraden, nachdem er lautstark und wiederholt seine Präferenz für die Demokratie kundtat. Nach Aussage der Mitarbeiterin war es allerdings auch ein Fall von, dass "er einfach seine Klappe nicht halten konnte".
Nach Rückkehr der Deutschen wurden die über 100 Baracken des Lagers wieder zurückgebaut. Erst im Jahre 1995/96 fand Prof. Waters (Texas A&M University) durch Ausgrabungen Spuren vom Lager. Er machte sogar ehemalige Häftlinge ausfindig, manchmal über diverse Umwege. Einige immigrierten sogar nach ein paar Jahren in Deutschland in die USA und sind jetzt seit über 50 Jahren amerikanische Staatsbürger.
Ein anderes Beispiel ist Fritz Haus: Er war Teil vom Rommel´s Afrikakorps und geriet im Mai 1943 in Tunesien in Gefangenschaft. Bis zum Ende des Krieges war er in den Lagern Hearne und Huntsville (beide Texas) interniert. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1947 wurde er Missionar in Südafrika, wo ihn Professor Waters aufgespürt hat: Seine Geschichte (in English)
Der Besuch war wirklich eine interessante Erfahrung und ein Ausdruck dessen, dass selbst in den hintersten Ecken von Texas Deutsch-Amerikanische Geschichte geschrieben wurde.

Samstag, 2. Juli 2011

Mein erstes Mal: First Pitch im Baseball bei den Brazos Bombers

Am 1. Juli 2011 ist mir ein besonderes Privileg zuteil geworden. Als Vertreter des Fulbright-Austauschprogramms durfte ich den "First Pitch" in einem Texas Collegiate League Baseball-Spiel der lokal ansässigen Brazos Bombers (der Name geht auf eine ehemalig hier stationierte B-52-Einheit der U.S. Air Force zurück) ausführen.
Die Texas Collegiate League ist eine Art Amateur-Liga, die Spieler von verschiedenen Universitäten der USA in lokalen Teams zusammenwürfelt und ihnen nach Abschluss der regulären Profiliga-Saison die Möglichkeit gibt, weitere Spielpraxis zu erlangen.
Der First Pitch (erste Wurf) hat traditionsgemäß in allen Baseballspielen in den USA eine besondere Bedeutung. In der MLB (Major League Baseball) kommen meist Prominente und werfen den ersten Ball, bevor das Spiel beginnt. Dirk Nowitzki, zum Beispiel, durfte nach seinem NBA-Gewinn bei den Texas Rangers (auch aus Dallas und Vizemeister letztes Jahr) den ersten Wurf machen. Sein Wurf war allerdings nicht allzu treffsicher, wie dieses Video zeigt. Aus diesem Grund habe ich mit einem guten Freund vorher eine Stunde geübt, da ich zuvor noch nie einen Baseball in der Hand gehabt hatte.
Während der Zeremonie, bei der auch noch andere Personen eingeladen waren, wurde ich dann öffentlich ausgerufen. Der Wurf selbst war gut gelungen - der vorangegangenen Trainingseinheit sei Dank. Der Catcher hat ihn erfolgreich gefangen, was mit einem Applaus gewürdigt wurde. Das Spiel verlief auch bestens. Die Brazos Bombers gewannen deutlich mit 9:1.
Aufwärmen mit einem Brazos Bombers-Spieler
Einmarsch mit den anderen "First Pitchern"
Letzte Anweisungen vor dem Wurf
Kurze Anspannung....
...und Wurf! Auch wenn es kein Bild gibt: Er hat ihn gefangen!
Dann ging es wieder zurück auf die Tribüne
Ein weitere Nebeneffekt war, dass die Spiele eher von den Einwohnern vor Ort besucht werden, als von den Studenten der Unis. Daher war dieses Spiel eine großartige Gelegenheit, eine neue Seite von Brazos Valley kennenzulernen, speziell Familien mit Kindern, was man an der Uni nur sehr selten sieht.
Eine weitere Überraschung war der Besuch von Gary Blair, dem Trainer der Frauenbasketball-Mannschaft, die im April diesen Jahres die amerikanische Meisterschaft gewonnen haben. Da musste natürlich ein Foto und ein Autogramm her!
Autogrammstunde mit Gary Blair
Als "Exchange Student" kriegt man sogar noch ein Foto ;-)

Dienstag, 24. Mai 2011

New Orleans: Feiern in einer gezeichneten Stadt

Um die freie Zeit zwischen Frühlings- und Sommer-Semester zu überbrücken, bin ich zusammen mit einem Kommilitonen nach New Orleans gefahren. Ich hatte schon viel über dieses Stadt gehört, vor allem über die Auswirkungen von Hurricane Katrina, dem französischen Kolonialstil und der sehr liberalen Gesetzgebung hinsichtlich Ausgehen und Alkohol.
Schon auf dem Weg von Houston entlang des I-10 wurde deutlich, dass Louisiana eine völlig andere Welt ist als Texas. Anstatt trockener Steppe kilometerlange Fluss- und Sumpflandschaften und anstelle von standardisierten Einkaufsmeilen eine auffällig hohe Zahl an alter Industrie- und Kolonialarchitektur. Auch der Akzent, der sogenannte Cajun, hörte sich anders an, als wir ein Stück hinter der texanischen Staatsgrenze einen kleinen Snack bestellten. Die Fahrt von Houston nach New Orleans dauert ca. 5 1/2 Stunden mit ca. 1-stündigen Etappen von Houston nach Beaumont, dann bis Lake Charles, Lafayette, Baton Rouge, und letztendlich New Orleans. Ab Lafayette führte der I-10 größtenteils auf Stelen über die weite Mississippi-Delta-Landschaft. Diese Konstruktionen waren wirklich beeindruckend. Trotz des derzeit herrschenden Hochwassers war die Straße noch perfekt befahrbar.
Interstate I-10 mitten durch das Mississippi-Delta, allerdings mit etwas höherem Wasserpegel
Brücke über den Atchafalaya-Rivers zwischen Lafayette und Baton Rouge
In New Orleans angekommen sind wir gleich ins Zentrum, dem French Quarter, gefahren. Das French Quarter ist eine richtige Altstadt in französischer Kolonialarchitektur. Die zentrale Straße, die Bourbon Street, ist wahrscheinlich die Partymeile des Südens schlechthin. Für die USA sonst untypisch ist in New Orleans das Trinken von Alkohol auf der Straße erlaubt und es gibt auch keine nächtliche Sperrstunde. Nach den restriktiven Erfahrungen aus den anderen Bundesstaaten (außer Nevada) war das eine willkommene Abwechslung. Eine weitere Kommilitonin wohnt derzeit in New Orleans und damit hatten wir auch unseren "Tourguide". Das "typische" Getränk in New Orleans ist der Hand Grenade (zu Deutsch: Handgranate), ein Cocktail mit geheimer Rezeptur, den man allerdings mit Vorsicht genießen sollte, da der ganz schön reinhaut. Ansonsten war Bourbon Street bereits um 19 Uhr voller Leute. Ob das an den Ferien liegt oder das immer so ist, kann ich aber nicht genau sagen!
Altstadtansicht I: Ein kleiner Künstlermarkt
Altstadtansicht II: Der Typ in dem weißen Anzug harrte in dieser Pose regungslos fast den ganzen Abend aus
Im Business District mit der traditionellen Straßenbahn
Bourbon Street, Samstag 19 Uhr
Am nächsten Morgen sind wir eine Runde durch andere Viertel von New Orleans gefahren, unter anderem Ninth Ward, einer Region, die durch den Hurricane Katrina sehr in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Der Hurricane war ein ziemlich einschneidendes Ereignis für die Stadt. Hatte New Orleans im Sommer 2005 noch 450.000 Einwohner, halbierte sich diese Zahl nach dem Hurricane und bis heute sind mindestens 100.000 Menschen nicht zurückgekehrt. Während der Katastrophe wurde die gesamte Stadt zwangsevakuiert, u.a. nach Houston. Heute ist sie größtenteils wieder aufgebaut mit Ausnahme einiger ärmerer Viertel mit Auswirkungen auf andere Investition, zum Beispiel Straßen. Der Aufbau hat anscheinend so viele Ressourcen gekostet, dass für die Straßen kein Geld mehr übrig war, was das Autofahren zur Tortur macht!
Typische Nachbarschafts-Szenerie nahe New Orleans
Bis in die 20er Jahre hinein war New Orleans die zweitgrößte Stadt in den USA und hatte weitreichenden überregionalen Einfluss. Diese Zeiten scheinen allerdings vorbei zu sein. New Orleans hat derzeit die höchste Mordrate im Land und 23% der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze (U.S. Census). Ein weiteres Problem ist die Lage. Die Stadt liegt unterhalb des Meeresspiegels liegt und ist daher immer anfällig für Fluten aller Art. Dies wurde vor allem während Katrina deutlich, wo es drei Monate dauerte, bis die Stadt nach der Überschwemmung wieder leergepumpt war. Während unseres Besuches verhinderten die Behörden das Anschwellen des Mississippi-Flusses durch gezieltes Überfluten von umliegenden Dörfern anstelle der Städte Baton Rouge und New Orleans. Diese Strategie ist größtenteils aufgegangen. Allerdings haben einige Menschen in den Dörfern dadurch ihre Häuser verloren.
Überflutete Gebiete in Louisiana, fotografiert vom I-10 aus zwischen Baton Rouge und Lafayette
Das Wasser reichte stellenweise fast bis an die Straße
Die farbig unterlegten Gebiete wurden kontrolliert durch das Öffnen der Tore am "Morganza Spillway" geflutet. Die Ballungsgebiete New Orleans und Baton Rouge waren daher nicht betroffen. Auch der I-10 war aufgrund der erhöhten Bauweise durchgehend befahrbar!
Auf der anderen Seite ist New Orleans aber auch eine kulturell sehr vielfältige Stadt. Sie gilt als Wiege des Jazz und jedes Jahre zieht das weltbekannte Festival "Mardi Gras" im März tausende Menschen an. Auch der französische Einfluss ist nicht zu übersehen. Counties heißen in Louisiana Parishes (von franz. paroisse = Gemeinde) und viele der Gesetze haben Napoleonische Wurzeln. New Orleans ist auch demographisch gesehen eher untypisch für die USA mit 60% Schwarzen, 30% Weißen, nur 5% Hispanics und 5% andere Ethnien. Wirtschaftlich ist New Orleans ein wichtiger Standort für die Offshore-Erdölförderung mit einen großen Hafen. Allerdings hat Houston am Golf von Mexiko mittlerweile einen größeren Einfluss, was die Ölindustrie und den Hafen angeht.